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Die Fülle der Freiwilligkeit

Eine Partnerschaft kann unterschiedlich ablaufen.
Es gibt Partner, die den anderen mit ihrer Fürsorge überschütten oder versuchen, dem anderen ständig alles Recht zu machen. Und es gibt Partner, die selbst immer Recht haben oder das Oberhaupt sein wollen. Und es gibt Partner, die das jeweilige Gegenüber machen lassen. Das sind einige Beispiele, wie Partnerschaften laufen können. Das ist weder gut noch schlecht. Es ist auch nicht falsch oder richtig. Es ist oftmals, wie es ist.

 

Jede dieser Personen hat ihre Gründe, dies auf ihre Weise zu tun. Systemisch gesehen kommen viele dieser Muster aus der Kindheit, der Erziehung sowie dem vom Kind erlebten oder beobachteten Verhalten der Eltern plus diverse sogenannte Glaubenssätze und Gedanken.


Wir sind alle in der ein oder anderen Weise geprägt. Das ist auch nicht schlimm oder gar tragisch. Denn jeder Mensch, auch unsere Eltern, die in den meisten Fällen unsere ersten Bezugspersonen sind, gehören dazu. Sie geben aus ihrer Sicht und mit ihren Möglichkeiten das Beste. Wie wir alle jeden Tag unser Bestes geben.
(Bild: Agnes Baldauf)

 

Hinderlich für eine Weiterentwicklung einer Partnerschaft wird es dann, wenn ein Partner unzufrieden oder unglücklich wird in einer einstmals schönen Beziehung. Denn wenn ein Partner unzufrieden ist und die Erwartungen des anderen nicht mehr erfüllen kann oder will, dann fängt es an zu knirschen.

 

Und damit sind wir bei einer der häufigsten Ursachen für nicht-gelingende Beziehungen (wobei das Wort Beziehung auch für nicht private Beziehungen gilt). Erwartungen an den Partner. Erwartungen an den Chef, den Kollegen, einen Politiker, den Wähler und und und. Ich greife hier bewusst eine weite Spanne auf, um die Breite des Spielfeldes deutlich zu machen.

 

Doch wie kommen wir da raus, wenn wir feststecken? Ein Ansatz ist es, sich einmal eine Auszeit zu nehmen und festzustellen: Was will ich wirklich. Was ist mir wirklich wirklich wichtig. Das führt dazu, dass ich meine Bedürfnisse und Erwartungen besser kommunizieren kann.

 

Ein zusätzlicher Ansatz ist das Prinzip der Freiwilligkeit. Am Beispiel einer privaten Partnerschaft könnte das so aussehen: zwei Personen finden sich sympathisch und verlieben sich. Beide Personen einigen sich darauf, zusammen zu kommen und das Leben gemeinsam zu meistern. Ohne Ansprüche und Erwartungen an den anderen. Ja ich weiß, das ist meist zu Beginn jeder Beziehung so. Das, was uns stört, wird ausgeblendet. „Das meint er/sie doch nicht so“, ist dann oft ein Gedanke dazu.

 

Das Prinzip der Freiwilligkeit bedeutet jedoch, dass ich – egal in welcher Situation – meine Gedanken und Bedürfnisse äußere. Das geht auf sehr liebevolle Weise, ohne Vorwurf oder Anklage. In der Kommunikation spricht man von der „gewaltfreien, der wertschätzenden Kommunikation“ oder auch der „Ich-Botschaft“.

 

Wenn ich von Anfang an meine Bedürfnisse und Wünsche äußere und dem anderen das ebenfalls zugestehe, kann eine Beziehung wachsen und gedeihen. Tag für Tag. Das Prinzip der Freiwilligkeit bedeutet auch, dass wenn beide oder auch eine Person feststellt, dass es nicht mehr passt, dass dann ein friedlicher Ablösungsprozess erfolgen kann. Auf Augenhöhe und mit gegenseitigem Respekt und ohne Groll oder Kampf.

Wir akzeptieren gegenseitig, dass wir den gemeinsamen Weg nun nicht mehr miteinander sondern nebeneinander gehen. Und wir lassen Türen offen für ein anderes und neues Miteinander. Ohne Abhängigkeiten, Enttäuschungen und unerfüllten Erwartungen. Das ist die Fülle der Freiwilligkeit.
Wie klingt das für Dich? Überlegst Du, wie du das auf deine privaten oder beruflichen Beziehungen umsetzbar kannst?